Alle drei Jahre sucht der Prix Lignum die besten aktuellen Arbeiten mit Holz. Die Preisverleihung der Region Ost fand am Abend des 1. Oktobers in feierlichem Rahmen unter Beisein von Prominenz aus Holzbau, Wirtschaft und Politik in der imposanten Holzhalle der Holzhandelsfirma Kuratle & Jaecker in Märstetten statt.
Die Zahl der zur Bewertung durch eine Fachjury eingereichten Objekte war mit 120 so gross wie noch nie. Die prämierten Objekte wurden von Andres Herzog, Redaktor Architektur bei «Hochparterre», vorgestellt und ausgezeichnet. Die rangierten Projekte in der Region Ost stehen für ländliche Themen: Das Landwirtschaftliche Zentrum in Salez (1. Rang) lehrt angehende Bäuerinnen, wie man in der Landschaft klug mit Holz bauen kann. Der Umbau oberhalb von St. Antönien (2. Rang) rüstet ein abgelegenes Ferienhaus feinfühlig für morgen. Die Zimmerei und Schreinerei in Matt (3. Rang) ist beispielhaft für viele Werkhallen, die im ländlichen Raum stehen. Fünf weitere Projekte erhalten eine Anerkennung.
1. Rang | Clevere Einfachheit – das Landwirtschaftliche Zentrum St. Gallen in Salez
Das Gebäude des Architekten Andy Senn (St.Gallen) ist ein Leuchtturmprojekt des ökologischen Bauens. Es schliesst das Ensemble städtebaulich überzeugend ab und gibt den Boden des Vorgängerbaus dem Ackerbau zurück. Statt auf automatisierte Technik setzt der Low-Tech-Bau auf natürliche Mechanismen und Materialien. Das spart graue Energie und passt hervorragend zur guten Ökobilanz eines Holzbaus.
Das Haus nutzt die Vorteile von Holz auf allen Ebenen aus, von der Struktur im Grundriss bis zur Stimmung in den Räumen. Daneben zelebriert der Bau andere Naturbaustoffe wie Lehm oder Kasein. Die reduzierte Architektur trumpft nicht auf mit gestalterischen Kapriolen, sondern mit kluger Funktionalität, genauen Details und hohen Räumen. Der Holzbau ist sorgfältig geplant und ausgeführt. Die eigens entworfenen Klapptische führen dessen handwerkliche Präzision in der Schreinerarbeit fort. Das Kunst-am-Bau-Projekt lässt die traditionelle Schindelkunst hochleben.
Die vielen angehenden Bauern und Bäuerinnen lernen in Salez, wie ressourcenschonend man heute mit Holz bauen kann, und nehmen diesen Eindruck mit nach Hause. So hilft das Gebäude, das Bauen im ländlichen Raum mit dem nachwachsenden Material zu stärken. Ein Gewinn für die Architektur und für die Landschaft, in der diese meist prägend steht.
Auf nationaler Ebene gewinnt das Landwirtschaftliche Zentrum in Salez den silbernen Prix Lignum 2021.
2. Rang | Erinnerungen verdichten – Umbau Alpgebäude St. Antönien
Der historische Strickbau liegt auf einer Alp oberhalb von St. Antönien, die im Inventar der Denkmalpflege aufgeführt ist. In den 1970er Jahren wurde er zum Ferienhaus umgebaut. Nun haben Nickisch Walder Architekten das Haus mit wenigen präzisen Eingriffe wieder näher an den ursprünglichen Zustand herangeführt und den neuen Bedürfnissen angepasst. Der Umbau zeugt von grosser Liebe zum Bestand und zum Detail.
Dem neu organisierten Grundriss liegt das traditionelle Wärmekonzept des Walserhauses zugrunde.
Sämtliche Wand-, Boden- und Deckenaufbauten sind nur mit natürlichen Materialien - Holz und Schafwolldämmung - konstruiert. Das neue Holz ist naturbelassen, es gleicht sich mit der Zeit dem alten Material an. Die Verbindungen, oft mit Nut und Kamm gesteckt, sind direkt und nachvollziehbar.
Die Architekten schöpfen das Potential des Holzes vielfach aus: Sie verwenden das Material direkt, bearbeiten es präzise, entwerfen detaillierte Verbindungen und funktional durchdachtes Mobiliar. Ihr Erfindungsreichtum reicht bis zu den mechanischen Lösungen, etwa einem Findling als Gegengewicht für die klappbare Wand. Die Architekten zelebrieren das Bauen im und mit dem Bestand im Alpgebäude exemplarisch – ein Thema, das vielerorts ansteht. Alt und neu, roh und fein, grob behauen und liebevoll bearbeitet stehen ehrlich nebeneinander, ergänzen und bereichern sich gegenseitig. Es entsteht ein Reichtum an sinnlicher Erfahrung, der sich im dichten Gebrauch des Hauses widerspiegelt. Auf nationaler Ebene gewinnt der Umbau den «Sonderpreis Schreiner» zum Prix Lignum 2021.
3. Rang | Tragen und zeigen – Neubau Zimmerei und Schreinerei Marti, Matt
Die Zimmerei und Schreinerei Marti in Matt ist ein traditionsreiches Unternehmen, das seit 1903 im Glarnerland vom Tisch bis zum Mehrfamilienhaus in allen Massstäben baut. Während eines Grossbrands verschwand der Firmensitz 2017 in den Flammen. Der Ersatzneubau setzt an der Tradition an und führt sie fort. Die Familie Marti zeigt darin ihr holztechnisches Können in allen Möglichkeiten und Facetten. Während Werkhallen oft belanglos detailliert sind, setzt der Neubau auf Feinheiten – ohne den Bogen zu überspannen.
Die Fassade ist sorgfältig entworfen, bis hin zu den Ecken des Gebäudes. Sie ist klug materialisiert und schenkt dem konstruktiven Holz-schutz grosse Beachtung. Das Gebäude steht auf einer Grundfläche von 25 mal 70 Metern. Um die Anforderungen an Schall, Brandschutz und Erd-rutschrisiko zu erfüllen, sind die Decke über dem Erdgeschoss und die bergseitige Wand betoniert. Der Rest ist Holz. Elegante Bogenbinder überspannen die grosse Zimmereihalle, dank Zugkabeln sind sie besonders schlank dimensioniert. Zusammen mit den Stützen und den hohen Fenstern sorgen sie für ein angenehmes Arbeitsambiente mit eindrücklichem Ausblick in die Berge.
Die Vorliebe des Bauherrn für Holz und seine Vielfalt setzt sich in der Innenarchitektur fort. Die Büroräume sind alle gleich gestaltet, aber mit unterschiedlichen Holzarten ausgeführt: in heimischer Fichte, Eiche und Lärche. So macht die Firma ihr Können sichtbar, ohne dass die Architektur zum Materiallager verkommt. Auch hält der Innenausbau die delikate Balance zwischen traditionellem Handwerksbetrieb und feinen, elaborierten Details. Anschaulich erfahren die Besucher die Schönheit und Vielfalt der Gestaltung mit Hirnholz, Fries im Bodenbelag oder Latten in der Akustikdecke oder in der Wandverkleidung. Holz ist stets im Blick, nicht zu aufdringlich und perfekt umgesetzt.
Fünf Anerkennungen
Fünf Werke in der Region Ost würdigt die Jury mit einer Anerkennung für den hochwertigen und zukunftsweisenden Einsatz von Holz:
Primarschule Feld, Azmoos
Unterschiedliche Raumhöhen und natürliches Licht – mal von oben, mal seitlich – schaffen im Zusammenspiel mit dem Holz eine angenehme Lernatmosphäre. Dieses Zusammenspiel von Material, Raum und Nutzung ist schlüssig und zeitgemäss und gibt dem Schulhausbau neue Impulse.

Einfamilienhaus La Casetta, Segnas
Der Werkstoff Holz ist mit viel Liebe zum Detail handwerklich und technisch gut eingesetzt. Der Architekt, gleichzeitig Bauherr, hat mit viel Herzblut ein Kleinod geschaffen, das auf minimalem Raum die Wohnbedürfnisse seiner kleinen Familie abdeckt. Das Kleinstwohnhaus spart Platz und Ressourcen. Und es leistet einen wichtigen Beitrag, damit das Berg-dorf auch zukünftig belebt bleibt.
Küche, Chur
Die sorgfältig konzipierte Küche ist das Herzstück einer sanft renovierten Wohnung in der Churer Altstadt. Leicht fügt sie sich in den Raum des historischen Gebäudes ein. Das Innenleben eines alten Einbauschranks wurde ausgebaut und ist nun Teil der neuen Küche. Es resultiert ein gelungenes Miteinander von Alt und Neu – beides steht für sich und lässt sich gegenseitig Raum.
Internationales Höhentrainings- und Wettkampf-Zentrum, St. Moritz
Der Bauingenieur Walter Bieler und der Architekt Georg Krähenbühl entwickelten gemeinsam eine Konstruktion, die vom Grundstein bis zur letzten Schraube auf die Montage ausgerichtet ist. Im Winter wird die Baute in einem Lager am Rand der Wiese verstaut. Es spricht eine andere Sprache als der industrielle Pavillon. Seine Proportion ist von der steinernen Kirche St. Karl Borromäus dahinter abgeleitet. Ein Kleid aus handgespaltenen Schindeln legt sich um die runden Ecken und kaschiert die profane Nutzung. Auch das gehört zur Architektur: Dem reinen Zweck etwas mehr abgewinnen. Das macht die beiden Bauten zu einem wegweisen-den Projekt für viele temporäre Zweckbauten, die oft in Holz gelöst werden.
Haus Frasnelli, Bonaduz
Das Haus Frasnelli ist ein Haus aus Naturmaterialien. Nebst dem Strickbau aus massivem Nadelholz sorgen Stampflehmböden, lehmverputzte Holzfaserplatten und Kalkglätte für ein angenehmes Raumklima. Die Bauweise komplett mit unbehandeltem Massivholz verbraucht in der Herstellung wenig Energie und bindet viel CO2. So zeigt die Konstruktion einen möglichen und architektonisch reichhaltigen Weg aus der Klimakrise. Zudem fördern die lokalen Naturmaterialien die regionale Wertschöpfung.
Nationale Preise: Gold, Silber, Bronze | Sonderpreis Schreiner